Es war der Sommer 2021, als wir stolz über 50.000 Unterschriften an den Senat übergaben. Ratzfatz würde sie jetzt gehen, die Prüfung unseres Gesetzentwurfs. Im Anschluss würden wir ein zweites Mal Unterschriften sammeln, und dann käme es zum Volksentscheid. Dachten wir. Doch drei Jahre später dürfen wir noch immer nicht weitermachen. Dabei wird eine sozial gerechte Verkehrswende mit jedem Tag Klimakrise notwendiger. Warum es nicht weitergeht? Kurz gesagt: Die Senatsparteien lassen uns am ausgestreckten Arm verhungern und berauben uns unseres verfassungsrechtlich verbrieften Rechts auf direkte Demokratie.
Die Odyssee nahm vor zwei Jahren, im Mai 2022, ihren Anfang. Da befand die SPD-geführte Senats-Innenverwaltung, dass unser Gesetz für gemeinwohlorientierte Straßennutzung ein unverhältnismäßiger Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit darstelle. Sie widersprach damit dem eigens in Auftrag gegebenen Gutachten und der Meinung weiterer Verfassungsexpert*innen. Da die Exekutive aber nicht dafür da ist, unabhängig über die Rechtmäßigkeit von Gesetzen zu befinden, leitete die politisch motivierte Ablehnung unseres Gesetzes nun eine Prüfung vor dem Berliner Verfassungsgerichtshof ein.
Dass die Richter*innen für das Berliner Verfassungsgericht ehrenamtlich arbeiten, ist nicht unbedingt allen bewusst. Wenn sie zwischen Herbst 2021 und 2022 also erstmal über die Wahlwiederholung urteilen sollten, ist es durchaus nachvollziehbar, dass sie unserem Anliegen nicht die volle Aufmerksamkeit widmen konnten. Eigentlich waren ja die Posten von sechs der neun Richter*innen schon vor dieser historischen Entscheidung neu zu besetzen. Doch um den Eindruck zu vermeiden, man wolle mit der Neubesetzung die Entscheidung zur Wiederholungswahl politisch beeinflussen, verzichtete man im Abgeordnetenhaus zunächst auf eine Richter*innen-Wahl. Es war zwar ärgerlich, dass die Prüfung unseres Gesetzes aufgrund der Chaoswahl hinten anstehen musste, doch das gestehen wir gerne zu: Die Wiederholungswahl war wichtiger.
Im Frühjahr 2023 war das Abgeordnetenhaus dann endlich neu konstituiert, und wir gingen davon aus, dass die Arbeitsfähigkeit des höchsten Berliner Gerichts für die Senatsparteien oberste Priorität haben würde. Doch weit gefehlt. Es bedurfte eines Aufschreis der demokratischen Oppositionsparteien im Januar 2024, ehe die Senatsparteien - demokratischer Gepflogenheit folgend - mit den anderen demokratischen Parteien im Abgeordnetenhaus das Gespräch suchten. Inzwischen wurde auch öffentlich, dass zweien der sechs Richter*innen ein Gesuch zum Ausscheiden aus dem Gericht bewilligt wurde. Nach etlichen Extra-Monaten des Ehrenamts durchaus verständlich. Das besonders Ungünstige daran: Unter den Ausscheidenden war auch die für unser Verfahren zuständige Richterin. Auch wenn natürlich wissenschaftliche Mitarbeitende am Gericht zu unserem Verfahren stetig arbeiten können, das Neu-Einarbeiten im Gerichtssand selbst kann einem baldigen Urteil nicht zuträglich sein.
Es war angekündigt, dass im Mai 2024 eine Einigung der demokratischen Parteien über die Neubesetzung gefunden sein und das Abgeordnetenhaus noch vor der Sommerpause das Gericht neu besetzen würde. Von einer Einigung haben wir noch nichts gehört, und es verbleiben nur noch zwei Sitzungen, bis das Berliner Parlament für neun Wochen die Arbeit ruhen lässt. Verwaltungschaos, die Trägheit der Senatsparteien und politischer Unwille zwingen uns weiter zu warten. Währenddessen werden wir unseres Rechts auf direkte Demokratie beraubt, das übrigens in der Verfassung Berlins verbrieft ist. Geringschätzung von Volksentscheiden und ein laisser-faire-Umgang mit der Verfassung und ihren Paragraphen - soweit, so normal in Berlin?
Doch alles Verzögern kann uns nicht unsere Motivation nehmen, für ein gerechtes, klimafreundliches und sicheres Berlin einzutreten. Wir nutzen die Zeit, um unsere Strukturen zu festigen und unsere Vision sichtbar zu machen, wie beispielsweise zum Park(ing) Day letztes Jahr. Unsere AG Aktion ist unermüdlich dabei, bei Veranstaltungen über unsere Initiative und den Gesetzentwurf zu informieren, und unsere AG Bündnisse schmiedet Bande in die Berliner Zivilgesellschaft. Damit wir sofort wieder loslegen können, wenn das Verfassungsgericht bestätigt, wovon wir alle längst überzeugt sind: Es gibt kein Recht auf hemmungsloses Autofahren, und eine sozial gerechte und nachhaltige Verkehrswende ist dringend notwendig. Wir kämpfen weiter unermüdlich für weniger Autos und mehr Berlin!
Noch ein Wort in eigener Sache: Das lange Warten bringt uns immer wieder nah an unsere finanziellen und personellen Grenzen. Wenn Du unser Vorhaben unterstützen willst, dann werde gerne Teil unseres hochmotivierten ehrenamtlichen Teams oder werde bitte eines von über 100 Fördermitgliedern, schon ab 10€ pro Monat.
Bei Fragen wende Dich gerne an info@volksentscheid-berlin-autofrei.de